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Unwillkürlich
wurde ich beim Lesen der Hintergrundinfos zur Kinesiologie und beim Ausprobieren
der Brain-Gym-Übungen mit Schulklassen und Studierenden der Musikpädagogik
immer wieder an die Tamätamä und die "Basic Exercises" erinnert,
die mir mein langjähriger Informant, der Trommellehrer und -künstler
Piyasara Shilpadhipathi während eines einjährigen Feldforschungsaufenthaltes
auf der Insel gezeigt hatte.
Abb. 5: Der international erfolgreiche und mit hohen nationalen Ehrungen
ausgezeichnete Meister-Trommler Piyasara Shilpadhipathi mit einer Tamätamä-Klasse
angehender MusiklehrerInnen im Institute of Aesthetic Studies, der Musikhochschule
in Colombo
Die optische Wahrnehmung der von oben betrachteten Tamätamä
als Lemniskate und die kinetischen Armbewegungen, die bei den "Basic Exercises"
auszuführen sind, v.a. die Über-Kreuz-Bewegungen der Arme
erinnern stark an einige Brain-Gym-Exercises und so scheint es vielversprechend,
auszuprobieren, inwieweit diese zu den gleichen Wirkungen führen
können, einer Steigerung der Koordinationskompetenzen des Körpers
und, legt man die Vorstellung eines Trainings der Hemisphärenbalance
zugrunde, zur Steigerung geistiger Fähigkeiten, wie Konzentration,
Abbau von Spannung und einer Steigerung der integrativen Gehirnfunktionen,
also des vernetzten Denkens.
Darüber hinaus ist diese Trommel in der Ursprungskultur ein in
buddhistische Zeremonien eingebundenes Kultinstrument, wird unter Beachtung
strenger Material-Vorschriften und rituell korrekter Zeiten ("auspicious
time") hergestellt und von Tempelmusikern zu Alltags- und Festtagszeremonien
gespielt. Tempeltrommler bilden ein eigenes Kastensystem in Sri Lanka
und können ihre Genealogie meist bis in die Zeit der Könige
des Hofes von Kandy, also bis ins 12. Jahrhundert nach Christus zurückverfolgen.
Drei Trommelinstrumente werden beherrscht, die völlig andere Spieltechniken
erfordern:
Abb. 6-8: von rechts: Gätabere, Dahula und Tamätamä,
gespielt von den Tempeltrommlern des Zahntempels in Kandy
a) die transversal und von Hand gespielte, doppelfellige Gätabere,
b) die ebenfalls transversal, jedoch links mit der Hand und rechts mit
einem Schlägel gespielte, doppelfellige Dahula und c) die hier
vorgestellte Doppeltrommel Tamätamä, die beidhändig
mit Schlegeln, sogenannten Kaduppu, gespielt wird.
Abb. 9: Ein Paar Kaduppu, zwei aus Rattanholz hergestellte und mit einem
Baumwollfaden festgezurrte Schlegel
Die Trommler spielen zu Morgen- und Abendandachten, sogenannten Poyas
und begleiten auch die Festtags-Peraheras, prächtige Straßenumzüge
zu Ehren Buddhas oder einer Reliquie, wie Buddhas Backenzahn in Kandy.
Die gespielten Musikstücke setzen sich aus Patterns zusammen und
symbolisieren jeweils einen rituellen Inhalt während der Poya,
stellen z. B. ein Trommelopfer für
Buddha dar.
Im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen, z.B. dem Ende des Kolonialismus
(1947) und der Entwicklung des Tourismus, wurde teilweise auch die Funktion
der kulturellen Ausdrucksformen abgewandelt. Ebenso wie der Tanz den direkt
funktionalen Rahmen der Tempel-Zeremonie und des Hofes verließ,
um sich als Bühnentanz weiterzuentwickeln, sehen sich Trommler
zusehends als säkulare Instrumentalkünstler, die sich den
kritischen Augen eines wählerischen Publikums aussetzen und eine
kreierte Bühnenshow zum Besten geben. Postkolonial kann man diese
Veränderungen als Überlebens- und Stabilisierungsstrategie
präkolonialer Formen werten, da angeknüpft wird an die Gebräuche
am Hofe der Könige von Kandy, als die Hofmusiker sich gegenseitig
in Trommel- und Tanzwettbewerben zu überbieten versuchten. Damit
wird die in mancher Hinsicht als herabwürdigend empfundene Kolonialzeit
sozusagen übersprungen und es entsteht ein wiedererwecktes kanonisiertes
kulturelles Erbe, das den kulturellen Vertretungsanspruch für den
Nationalstaat übernimmt. Im Falle der touristischen Bühnenshows
wirkt sich diese Entwicklung nicht immer qualitätssteigernd aus,
da Touristen gemeinhin kein fachkundiges Publikum darstellen und hier
das schnell verdiente Geld im Vordergrund stehen kann.
An den sri lankischen Schulen existieren landesweit Trommelgruppen, die
sich jährlich bei einem Wettbewerb vergleichen. Hier werden von
den an staatlichen Instituten ausgebildeten LehrerInnen Neuarrangements
mit traditionellen Patterns als Bühnenshow einstudiert und einer
anspruchsvollen Jury vorgetragen. Die Tatsache, dass hier auch Mädchen
als Trommlerinnen auftreten, ist ein emanzipatorischer Fortschritt, hat
jedoch bisher noch keine Auswirkung auf die künstlerische Rollenverteilung
Männer/Trommler/Tänzer, Frauen/Tänzer-/Sängerinnen
im traditionellen Profi-Bereich.
Abb. 11: Die Schule von Meister Suramba aus Kandy bei einer Kulturshow
im Townhall-Theatre Colombo 2001 und Abb. 12: Mädchen-Trommelgruppe
beim All-Island-Wettbewerb 2000
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