Die Idee zu diesem Beitrag wuchs in einem Seminar von
Max
Peter Baumann über Schamanismus in der ethnomusikologischen
Abteilung der Universität Bamberg. Beim Anhören verschiedener
Musikbeispiele und verschiedener Aspekte aus der Schamanismusforschung
kamen im Vergleich mit eigenen aktuellen Studien zur Techno- und Trance-Szene
immer wieder Gemeinsamkeiten an die Oberfläche, für die
im nachfolgenden Artikel Gründe aufgezeigt werden. Ein zweiter
Aspekt liegt im Versuch, musikkulturelle Anschlussmöglichkeiten
Jugendlicher in Beziehung zu einem Teilgebiet der Ethnomusikologie
zu bringen.
'Vom höher
gelegenen Teil des Berges herab wurde es allmählich hell, und
ich hörte sanfte Trommelschläge, sehr sanft. ... Und von
jenem Berg herab kamen langsamen, leisen und sanften Schrittes
die alten Frauen, die Geister jenes Landes, jenes Berges, alte grauhaarige
Frauen, indianische Frauen, sie tanzten herab. ... Auf gewundenem
Pfad kamen sie den Berg hinab und umkreisten den Hügel, auf dem
ich lag. Und wie sie im Kreis tanzten, sehr schnell, bildete sich
in jenem Kreis ein weiterer Kreis, ein Kreis junger Frauen meines
Alters, meiner Zeit, junge Frauen, die ich kannte, und auch sie tanzten.
Diese beiden Kreise tanzten und kreisten, und sie begannen, sich ineinander
zu verweben und wieder auseinander, wiegend ineinander überzugehen
und wieder auseinander. Und dann bildete sich in diesem Kreis noch
ein weiterer Kreis von sieben alten Großmüttern, weißhaarigen
Frauen, Frauen, die für mich bedeutsam waren, kraftvollen alten
Frauen' (118/119)1 .
Diese Vision von Brooke Medicine Eagle, einer indianischen Schamanin,
gibt die Kulturanthropologin Joan Halifax in ihrem Buch 'Die andere
Wirklichkeit der Schamanen' wieder. 'Tochter des Regenbogens', 'Die
in Trance geht, die Geister zu suchen', 'Frau, die alles weiß'
- oder wie die dort beschriebenen Visionärinnen aus verschiedenen
Kulturen heißen mögen - ihnen ist vieles gemeinsam: Sie
haben sich mit ihrer schamanistischen Initiation eine Möglichkeit
erschlossen, das Feld des standardisierten Wachbewusstseins zu verlassen
und eine Reise in eine als anders, jenseitig erlebte und scheinbar
von unbekannten Maßstäben beherrschte Welt zu unternehmen.
Der Vorgang der Initiation besteht stets aus einem Rückzug aus
der alltäglichen Wirklichkeit, der in der Schamanenforschung
liminale oder marginale Phase genannt wird. Um die erste Vision
zu suchen, begeben sich die KandidatInnen oft im Pubertätsalter
in eine einsame Gegend, eine Höhle, einen extra errichteten Iglu,
die Meditationsgrube auf einem Berggipfel, an oft schon seit Generationen
diesem Zweck vorbehaltene Orte. Das Ringen um die Einstiegsvision
hat, kulturübergreifend vergleichbar, besondere Techniken eines
perkussiven 'Loopings'2 und musikbezogene Gerätschaften
hervorgebracht, die trancefördernd wirksam werden. Überliefert
sind das rhythmische Steinereiben, welches direkt in die Halluzination
führt, oder verschiedene repetitive Bewegungsformen, die dann
alltagsenthoben 'Sonnentanz' oder 'Geistertanz' genannt werden und
oft, wie obiges Beispiel zeigt, bereits als von visionär erlebten
Wesen angeregt wahrgenommen werden. Eine bedeutende Rolle spielen
zwei Instrumente, deren Symbolgehalt im schamanistischen Kontext weit
über ihre profane Funktionalität als Schallerzeuger hinausgeht:
Die Kürbisrassel und die Schamanentrommel. In der Mythologie
der Warrau in Venezuela gibt es die Vorstellung, ein Schamanenahne
sei an einem heiligen Ort in der Kunst unterwiesen worden, durch die
heilige Feuerrassel Hebumataro Kommunikationskanäle zum Übernatürlichen
anlegen zu können. 'Das Anfertigen der Rassel ist ein zutiefst
heiliger Vorgang. Nachdem der Schamane die geeignete Frucht sorgfältig
gewählt und bereitet hat, werden vier Schlitzmäuler in den
Leib des Kürbis geschnitten ... Dann werden kleine Quarzkristalle,
von denen jedes einen Ahnengeist darstellt, geweiht und eins nach
dem anderen in den Bauch des Kürbis gesteckt. Der Schamane bezeichnet
diese winzigen Kristalle als seine Familie ... seine Geistfamilie
im Kopf der Rassel ... und sie' ... wird zum Instrument von Gleichgewicht,
Wandel und Flug"(41)1.
In sibirischen Kulturen und denen des tibetischen Hochlands ist die
Trommel das
Instrument für die visionären Reisen von Schamanen. Michael
Oppitz erzählt von der magischen Trommel re bei den Magar im
nepalesischen Himalaya: 'Die Periode vor der Initiation ist für
den angehenden Schamanen gekennzeichnet durch psychische Störungen
und Traumvisionen. In einer von diesen sieht er den Baum, aus dem
seine künftige Trommel geschnitten werden soll ... An einem geeigneten
Vollmondtag nach der Vision zieht eine kleine Expedition, bestehend
aus dem Initianden, zwei Schamanen und sieben Gehilfen, ins Gebirge,
um dort den Trommelbaum ausfindig zu machen'(91)3. Nach
drei weiteren Visionen wird dann der Baum ausgewählt, von den
Helfern gefällt und zwischen den Beinen abtransportiert, was
auf die spätere Funktion der Trommel als Mittel der Fortbewegung
gleich einem Reittier hindeutet. Nun folgt eine Phase sorgfältig
beachteter Riten zur Herstellung des Trommelrahmens, z. B. das Eingraben
in ein Erdloch als erste Unterweltreise der zukünftigen Trommel.
Während der Prozedur müssen viele Gefahrenquellen überwunden
werden, z. B. das Brechen der Rahmenlatte beim Biegen oder das Zerspringen
während der Überblattung der Lattenenden. Beim Gelingen
werden Götteropfer gebracht und bestimmte Ritualverse zitiert.
Die Trommel wird wie ein Lebewesen behandelt, welches den Besitzer
und Schöpfer bei seinem Wirken als Visionär und Heiler unterstützt
und begleitet.
Diese Beispiele
zeigen eindrucksvoll die konstruierte Struktur von Kultursystemen.
Aneignung, Deutung und Produktion kultureller Medien, Techniken und
Ausdrucksformen sind zunächst systemimmanent 'be-deutend' und
können von der Warte eines anderen Systems erst einmal nur als
fremd und weit entfernt wahrgenommen werden. Worin besteht dann die
Möglichkeit eines 'Näher-rückens', einer 'An-eignung',
eines transkulturellen Anschlusses? Wenn Schamanismus, wie Uchtmann
behauptet, 'ein die Zeiten, Räume und Kulturen transzendierendes
Phänomen ist, welches von einer ... allgemeinmenschlich-kognitiven
Kompetenz ausgeht, die sich in visionärer Schau, Kritik und Entregelung
Bahn bricht'(151)4, dann mag es gestattet sein, zumindest
als Gedankenentwurf, schamanistisch zu interpretierende Tendenzen
auch in den hierarchisch verschachtelten Kultursystemen unserer partikularisierten
postmodern-westlichen Gesellschaft aufzuspüren und ihre Vergleichbarkeit
zu hinterfragen.
Hinter dem 'dialektischen
Modus', den Uchtmann dem schamanistischen Sein zuschreibt, steckt
knapp formuliert die Idee der menschheitsgeschichtlichen Ontogenese
und funktionalen Trennung der Gehirnhemisphären, die einen Vorgang
der 'Bewusstseinsspaltung' auslöste, die den Punkt markiert,
an dem der Mensch sich aus dem Kosmos der Natur herauslöst, an
dem seine Bewusstwerdung in einem mythischen Bereich stattfindet und
von dem an er zu Kritik und Synthese fähig ist. Der Mensch muss
sich 'zu Beginn der Hominisation von der homöostatischen Ordnung
der Natur, die sein Gedeih und Verderben regulierte, abgesetzt haben.
Diese Normalität und Routine des Fressens und Gefressenwerdens
im Einklang mit dem natürlichen Kosmos als selbstreferentielles
und zyklisches System kann nur durchbrochen worden sein durch ein
Eintauchen in das kreative Chaos des entstehenden Bewusstseins'(154)4.
Uchtmann interpretiert den Schamanen nun als jemanden, der die 'Zwillingspersönlichkeiten',
jeweils repräsentativ für die unterschiedliche Spezialisierung
beider Gehirnhälften, in einen kreativ-produktiven Dialog bringen
kann. Dabei liegt die kognitive Kompetenz der rechten Hemisphäre
in der Wahrnehmung und Orientierungsfähigkeit in unbekannten
Bereichen, während die der linken Zwillingshemisphäre die
sozial-encodierte Abbildhaftigkeit der Welt repräsentiert. Der
Schamane ist "... Mittler zwischen einem nokturnalen und nichtsprachlichen,
mythischen Kontinuum und einem diurnalen, sprachlichen ritualisierten
Bereich"(169)4. Dabei ist es unerheblich, in welchem kulturellen
Zusammenhang sich der Vorgang der Visionsschau abspielt, wichtig ist
nur die Fähigkeit des Betreffenden, seine Vision in einem kulturell
verständlichen Zeichensystem allgemein zugänglich zu machen.
Insofern zieht Uchtmann das Beispiel Einsteins heran, der seine Relativitätstheorie
visionär "geschaut" hatte, bevor er sie in ein der westlichen
Wissenschaftskultur adäquates Zeichensystem brachte.
Die einen Schamanen treibende Dynamik wird als Urkraft gesehen, die
aufgrund ihrer Unberechenbarkeit eine Entfernung von der strukturiert-systematisierten
Gesellschaft ermöglicht und damit eine kritisch-distanzierte
Position einnehmen, visionär und hellsichtig sein kann. Diese
Kritikfähigkeit sei zur treibenden Kraft der menschlichen Kulturgeschichte
geworden, da es die schamanische 'Kunst' ermögliche, den Sinn
von Regeln zu erfragen und diese zu verändern, 'Fluchtversuche
aus der Tyrannei geistiger Gewohnheiten und erstarrter Routinemäßigkeiten'
zu betreiben.
Diese weitgefasste Interpretation schamanistischer Funktionen und
Aufgaben ermöglicht eine Übertragung der Idee auf lebensweltlich
nahe liegende kulturelle Systeme, wie z. B. die Rave-Kultur, und eine
Untersuchung der hier wahrnehmbaren Erscheinungsformen. Dabei geht
es nicht um eine simple Übertragung, sondern um eine Überprüfung
der Vergleichbarkeit kultureller Techniken im Hinblick auf ihre Funktionalität
für den Menschen. Den Ausführungen zugrunde liegt eine konstruktivistische,
kulturrelativierende Auffassung von Dominanz- und Subkultur als selbstreferentielles,
rekursives System5. Wie oben bereits angeklungen, übernimmt
ein Schamane in seinem Kultursystem eine bestimmte Funktion: Er bricht
die phasenweise Geschlossenheit des Sytems auf und stellt sich als
Kontaktperson mit 'fremden Welten' und anderen Wirklichkeiten zur
Verfügung, mögen diese nun innerhalb oder außerhalb
des Kollektivs oder des darin existierenden Individuums liegend wahrgenommen
werden.
Die Frage nach einer 'realen' oder 'fiktiven' Wirklichkeit, die sich
für den schamanisierenden Menschen kompensierend für das
Kollektiv als unerheblich herausstellt, führt direkt zur Idee
der Interpretation unserer medial-technisierten Lebenswelt als 'Hyperrealität'
'... in der die Spannung zwischen Realem und Imaginärem zugunsten
einer Virtualität aufgelöst ist'(215)6 . Gabriele
Klein verweist in ihrer Analyse der Techno-Kultur auf Baudrillard,
der bereits zu Beginn der 80er Jahre von einer ästhetischen Halluzination
der Realität gesprochen habe, die eine virtuelle Simulationswelt
darstelle, eine mediale Bilderflut, der die Menschen nicht nur gegenüber
stünden, sondern in der sie bereits leben würden.
Klein sieht nun in der Rave-Kultur eine Ausformung, die Hyperrealität
konstruiert und für den Einzelnen zugänglich macht. Insofern
dazu menschliche Mittler nötig sind, fällt besonders den
Djs in den Clubs die 'schamanisierende' Rolle zu, den Ravern auf der
Basis eines Gruppenrituals und einfühlsamer Auswahl musikbezogener
Parameter in Form repetitiver Pattern die körperbezogen ästhetischen
Bedingungen zu schaffen, die Ekstase, Trance und alltagsenthobene
Visionen ermöglichen können. 'Dynamische Akzente zu setzen,
nahtlose Übergänge zu schaffen und letztendlich die musikalische
Dramaturgie für einen Tanzabend zu entwickeln - all dies erfordert
eine gewisse Professionalität, aber auch ein gutes Maß
an Empathie mit den Tanzenden". "Als Dj hast du ja die Party in der
Hand. Es ist unheimlich befriedigend, wenn du siehst, da tanzen die
Leute auf deine Musik und freuen sich. Du machst ja denen den Abend.
Die erleben Glücksgefühle, weil du was für die machst.
Es ist ja auch eine gewisse Macht, die du über sie hast', zitiert
Klein einen weiblichen Dj (178/79).
Es sieht so aus, als wenn die
Rave-Kultur ästhetisch-funktional konstruiert wurde, um das
zu befriedigen, was Felicitas
Goodman den natürlichen Drang des Menschen zur Ekstase nennt,
der ihrer Meinung nach besonders im Pubertätsalter Befriedigung
verlangt. Die Kulturanthropologin geht sogar von einer angeborenen
Fähigkeit des Menschen aus, eine körperliche Umstellung
in den Zustand der Vision zu vollziehen, sieht im Entzug der Möglichkeit
zu veränderten Wachbewusstseinszuständen die Ursache vieler
psychosomatischer Erkrankungen und hält gerade das kollektive
Tranceerlebnis für ein elementares psychisch-regulierendes Korrektiv7.
Zusammen mit anderen Forschern stellte sie in Laboruntersuchungen
mit Versuchspersonen fest, dass sich im Zustand beginnender Trance
das Gehirnwellenmuster zu so genannten Theta-Wellen hin verändert
und im Körper Beta-Endorphine ausgestreut werden, die Wohlbefinden
und Glücksgefühle hervorrufen und noch einige Zeit nach
dem Trance-Zustand wirksam sind. Eine weitere Entdeckung Goodmans
sind trancefördernde Körperhaltungen (s. u. Ritual), die
ikonographisch bereits in sehr frühen Kulturen belegt sind und
deren Anwendung sie zusammen mit ihren Studenten für heutige
Verhältnisse testete und kultivierte. Ihre Erfahrungen damit
im Umgang mit 'normalen', aber auch verhaltensauffälligen oder
strafgefangenen Jugendlichen dokumentiert sie in verschiedenen Publikationen.
Auf der Grundlage dieser Informationen kann man die Rave-Kultur als
ein beharrliches Bestehen eines jugendlichen Kollektivs auf dem Erlebnis
von menschenmöglichen Bewusstseinszuständen aller Art deuten,
als Protest gegen den Entzug von Wirklichkeiten, deren Erleben keine
grundsätzlichen, sondern nur kulturell konstruierte Hindernisse
entgegenstehen, als selbstbewusste Inanspruchnahme von kulturellen
Techniken für das eigene Identitätssampling und als Zugehörigkeitsbekenntnis
zu den Konstrukteuren dieses Kultursystems, dessen Kontinuität
prozesshaft aufrechterhalten wird durch die Aneignung, Deutung und
Alltagsintegration seiner kulturellen Ausdrucksformen durch seine
Anhänger.
Didaktische und
methodische Überlegungen
Didaktische Anschlüsse
liegen einerseits im dauerhaft notwendigen Fortgang eines Diskurses
über jugendkulturelle Ausdruckformen. Gerade in den letzten Monaten
gab es Neuerscheinungen umfangreicher Analysen und Stellungsnahmen
in Bezug auf verschiedene subkulturelle Systeme einer Generation von
(meist weiblichen) WissenschaftlerInnen, deren Ausführungen man
anmerkt, dass ihre eigenen transkulturellen Anschlüsse es nicht
mehr zulassen, sich im engen Rahmen überkommener wissenschaftlicher
und alltäglich-vorurteilsbeladener Wertungskategorien und daraus
abgeleiteter Didaktik zu bewegen und die sich 'schamanisierend' an
ein Aufbrechen von Stereotypen machen, nach neuen Deutungsmöglichkeiten
und Verständniszusammenhängen suchen8. Wie eigene
Umfragen zeigen, wird auch von Schülerseite der sich in Schulbüchern
und Lehrplänen mit wenigen Ausnahmen präsentierende Umgang
mit aktuellen Sub- oder Dominanzkultursystemen als wenig befriedigend
empfunden. Es scheint von der Praxis aus gesehen dringend geboten,
neue Modelle und Formen des Umgangs mit Teilen der Ausdrucksformen
von Jugendsubkulturen zu entwickeln und diese den Fachlehrkräften
multimedial verfügbar zu machen.
Hier soll ein Stück
des Frankfurter Djs Oliver Lieb9
vorgestellt werden, welches die assoziative Grundlage für
die oben ausgearbeiteten Überlegungen bot. Sucht man nach pragmatischen
Möglichkeiten praktischen Umgangs mit der Rave-/Trance-Kultur,
'springt' einen dieses Musikstück akustisch förmlich an.
Man wird spontan in einen schamanistisch wirkenden ostinat-repetitiven
Sog hineingezogen, von dem man sich gut Trance fördernde Wirkung
vorstellen kann. Der musikalische Aufbau besteht aus einer sukzessiven
Reihung verschiedener Rhythmen, die durch klangfarbliche Abstufung
deutlich abzugrenzen sind. Nach der Stabilisierung des Rhythmusgefüges
ertönt eine archaisch anmutende Synthie-Melodie, die an das Filmmusik-Thema
des Science-Fiction-Klassikers 'Unheimliche
Begegnung der Dritten Art' erinnert.
Methodisch könnte das Stück in vielfältiger Weise Einsatz
finden. Denkbar ist ein höranalytischer Ansatz ebenso wie eine
praktische Umsetzung der Rhythmen mit klangfarblich adäquaten
analogen Perkussionsinstrumenten oder bei entsprechender Ausstattung
mit digitalen Möglichkeiten (Keyboards oder Arbeit mit Sequenzer
und Computer). Denkbar ist auch im Sinne von Felicitas Goodman die
Entwicklung eines kleinen Rituals, welches die Körperhaltungen
der Anthropologin einbezieht und auf Imaginationstechniken, wie Brain-Gym,
Phantasiereisen und Ideation, zurückgreift, um schließlich
die musikbezogene Ebene in Form dieses Musikstücks einzubeziehen.
Es kann durchaus mehr Sinn machen, dieses Ritual von den Schülern
selbst entwickeln zu lassen oder zumindest die Schüler in die
Gestaltung mit einzubeziehen, um fehlende Anschlussmöglichkeiten
zu berücksichtigen und dadurch angstbeladene Abwehrreaktionen
zu verhindern.
Vorschlag für
ein kleines Ritual [nach F. Goodman (25)7]:
Vorbereitungen: Jeder Teilnehmer benötigt einen Stein (falls
möglich bemalt, so dass die "Magie" des Steins zur Wirkung kommt),
einen etwa 20 Zentimeter langen Stab und eine Feder. Außerdem
muss die Lehrperson Perkussionsinstrumente buntes Garn, Knete, Karteikarten
und Stifte, eine Kerze und vier Schälchen Wasser bereitstellen.
Das Ritual dauert ca. ein bis zwei Stunden und die Gruppe sollte
aus etwa 15 Teilnehmern bestehen (größere Klassen teilen
und zwei Gruppen machen!). Im Klassenraum braucht man so viel Platz,
dass man in der Mitte einen Kreis bilden kann (Möbel an den Rand
schieben!); schön ist es auch, im Freien zu sitzen.
1. Die mitgebrachten
Steine werden so ausgelegt, dass damit ein Kreis abgesteckt wird.
Das Kreisinnere wird zum geschützten Raum erklärt.
2. Für jeden Teilnehmer wird nun ein Häufchen
zurechtgelegt aus Stab, Feder, einem armlangen Stück Garn, einem
kleinen Knetgummiball.
3. Die Kerze wird in die Kreismitte gestellt und die vier Wasserschälchen
werden in den vier Himmelsrichtungen aufgestellt. Außerdem liegen
fünf Perkussionsinstrumente, passend zu den Rhythmen dort.
4. Jeder Schüler wählt sich nun einen eigenen Platz
innerhalb des Kreises und setzt sich zu seinem Material auf den Fußboden.
5. Die Feder wird mit dem Garn an den Stab gebunden und mit
diesem Zauberstab wünscht man sich etwas nicht Materielles, Positives
herbei.
6. Mit dem Knetgummi wird eine kleine Figur zurechtgeformt,
die einen 'Freund', einen Begleiter auf der Phantasiereise darstellt
(während des Knetens kann eine Schamanengeschichte oder eine
Fantasiereise erzählt werden).
7. Nun nimmt man die Trancehaltung für eine 'Reise in die
Unterwelt' ein. Bei dieser bei verschiedenen Eskimo-Völkern verbreiteten
visionsfördernden Haltung liegt man mit ausgestreckten Armen
auf dem Bauch, wobei die rechte Hand etwas weiter nach vorne gestreckt
ist als die linke. Die Füße sind gekreuzt und zwar so,
dass der rechte Fuß über dem linken liegt. Das Gesicht
ist nach rechts gedreht. Eine andere Möglichkeit wäre die
'Bärenhaltung', die ikonographisch auf der ganzen Welt seit Jahrtausenden
überliefert ist. Man kniet auf seinem Platz und setzt sich mit
dem Gesäß auf die Füße. Den Kopf legt man vorsichtig
so weit wie möglich in den Nacken zurück und ballt die Hände
leicht zu einer Faust. Man führt nun die Hände bequem in
der Magengegend zusammen und lässt die ersten Knöchel der
Zeigefinder aneinander stoßen. Alles muss locker bleiben ganz
ohne Verkrampfung.
8. Man hört nun in dieser Haltung das Stück 'Fragile'
von Oliver Lieb/L.S.G. ca. drei Minuten an und lässt seine Gedanken
und Fantasien auf eine Visions-Reise gehen.
9. Jeder schreibt auf eine Karte, was er auf dieser Reise erlebt
hat (vielleicht werden manche Erlebnisse als Visionen empfunden!).
10. Die Erlebnisse werden auf freiwilliger Basis ausgetauscht.
11. Das Stück wird noch einmal gehört und jeder Schüler
sucht sich einen Lieblingsrhythmus heraus.
12. Auf freiwilliger Basis ergreifen fünf Schüler
die Instrumente aus der Mitte und spielen "ihren" Rhythmus zu dem
Stück dazu. Die anderen Schüler spielen ihren Rhythmus mit
Body-Percussion dazu. Die Instrumente können mehrmals weitergegeben
werden. (Voraussetzung: Die Schüler müssen mit der Spieltechnik
der Instrumente vertraut sein.) Das Ritual schließt mit der
Rückgabe der Instrumente an den inneren Kreis und dem Löschen
der Kerze.